Stellungnahme des Gemeinderats Vitznau zum Offenen Brief "One Vitznau" in der Wochenzeitung vom 14.1.2022
Am 13. Februar 2022 entscheiden die Stimmberechtigten der Gemeinde Vitznau über die Gesamtrevision der Nutzungsplanung. Die Gemeinde Vitznau muss nach Vorgaben des Kantons Luzern sowie des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes die Bauzone um 12,64 ha verkleinern. Der Widerstand der betroffenen Grundeigentümer ist verständlich – andererseits sind Rückzonungen die einzige Möglichkeit, damit Vitznau eine bundesrechtskonforme Ortsplanung erhält, raumplanerisch wieder handlungsfähig wird und nicht unverhältnismässig weiter wächst.
Vitznau hat in den 1970er- und 1980er-Jahren sehr viel Bauland eingezont. Damals war der Zeitgeist ein anderer und die Gemeinde war froh, wenn überhaupt jemand baute. Die Nachfrage blieb allerdings trotz der tiefen Landpreise lange gering und so wurde viel Bauland praktisch „auf Vorrat“ eingezont und blieb unbebaut. Der Zonenplan hielt bereits damals die Vorgaben des Raumplanungsgesetzes (RPG von 1980) nicht ein, da gemäss diesem die Bauzonen dem voraussichtlichen Bedarf für 15 Jahre zu entsprechen haben. Verständlich oder auch nicht – auf jeden Fall haben es die früher bei der Gemeinde und dem Kanton verantwortlichen Instanzen unterlassen, freiwillig und rechtzeitig entsprechende Korrekturen vorzunehmen, obwohl dazu mehrmals Gelegenheit bestanden hätte.
Pflicht zur Reduktion von überdimensionierten Bauzonen
Nachdem die Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) im Jahr 2013 auf Bundesebene angenommen wurde (Zustimmung in Vitznau mit Zweidrittelmehrheit), hat sich die Rechtslage völlig verändert. Die Anforderungen an Bauzonen wurden deutlich verschärft. Neu enthält das Gesetz ausdrücklich eine Pflicht zur Reduktion von überdimensionierten Bauzonen. Der Kanton hat in der Folge seinen Richtplan überarbeitet und eine Rückzonungsstrategie erstellt. Vitznau gehört darin zu den 21 «Rückzonungsgemeinden» mit zu viel Bauland. Würden in Vitznau bis 2036 alle bisher eingezonten Bauparzellen überbaut, würde sich die Einwohnerzahl fast verdoppeln! Dies entspricht weder dem tatsächlichen Bedarf der nächsten fünfzehn Jahre, noch dem angestrebten Wachstum gemäss Siedlungsleitbild 2050, dem die Vitznauerinnen und Vitznauer 2019 deutlich zugestimmt haben.
Auch bestehende Bauzonen müssen dem Raumplanungsgesetz entsprechen
Jede Gemeinde muss gemäss RPG ihre Nutzungsplanung überprüfen und anpassen, wenn sich die Verhältnisse erheblich geändert haben. Bei der Überarbeitung eines Nutzungsplans müssen alle Bauzonen, einschliesslich der bereits bebauten, die Voraussetzungen des RPG erfüllen. Im Nachgang zur Ablehnung der Ortsplanungsrevision 2017 erliess der Regierungsrat am 24. April 2018 eine kantonale Planungszone in den Gebieten Schwanden, Teufibalm, Ächerli, Büel, Semli und Stacher/Grund/Büntli im Umfang von 12.64 ha. Die Ortsplanungskommission hat diese Gebiete überprüft und als Rückzonungsflächen bestätigt. Dies betrifft auch bereits teilweise bebaute Gebiete wie Schwanden und Teufibalm. Diese Gebiete erfüllen nach einhelliger Expertenansicht die gesetzlichen Vorgaben an eine raumplanungskonforme Bauzone nicht und müssen deshalb rückgezont werden. Dies um zu verhindern, dass hier noch weitere Wohnhäuser erstellt werden.
Bestehende Bauten profitieren von Bestandesgarantie
Die bestehenden Bauten und Anlagen profitieren jedoch von der erweiterten Besitzstandsgarantie. Die Eigentümer können ihr Haus also nicht nur unterhalten, sondern auch renovieren, umbauen, massvoll erweitern und sogar abbrechen und wiederaufbauen. Unbebaute Grundstücke können jedoch nicht überbaut werden. Das Bundesgericht weist darauf hin, dass vergleichbare Situationen jetzt schweizweit zunähmen, da zahlreiche Gemeinden ihre Bauzonen deutlich verkleinern müssen (vgl. Urteil Bger 1C_400/2018 vom 29.07.2019, Gemeinde Mathod VD, E. 2.2.1).
Es ist nachvollziehbar, dass sich betroffene Grundeigentümer gegen eine allfällige Rückzonung öffentlich engagieren und insbesondere auch entschlossen sind, den Rechtsweg zu beschreiten. Aufgrund bisheriger Urteile wäre es allerdings aus Sicht des Gemeinderats sehr überraschend, wenn die Rückzonung der Gebiete Schwanden und Teufibalm vom Bundesgericht aufgehoben würde.
Betroffene Grundeigentümer sollen gerecht entschädigt werden
Wird eine Rückzonung rechtskräftig, können die betroffenen Grundeigentümer eine Entschädigungsforderung bei der kantonalen Schätzungskommission stellen. Die Höhe der Entschädigung bemisst sich nach der Differenz zwischen dem Verkehrswert vor und nach der Rückzonung. Die Entschädigungen werden vollumfänglich aus dem vom Kanton bewirtschafteten Mehrwertabgabe-Fonds finanziert. Es ist deshalb falsch, wie teilweise behauptet wird, dass Entschädigungsforderungen mit Vitznauer Steuergeldern finanziert werden müssten.
Allerdings sind die Hürden für eine solche Entschädigung in Gemeinden mit überdimensionierten Bauzonen gemäss der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung oft sehr hoch. Der Gemeinderat unterstützt deshalb die Anliegen der
Motion Hartmann. Der Luzerner Regierungsrat wird darin aufgefordert, eine Rechtsgrundlage vorzulegen, mit der auch Härtefälle aus Rückzonungen entschädigt werden, welche nach Bundesrecht keinen Anspruch auf eine Entschädigung aus materieller Enteignung haben.
Keine Aufzonungen im Dorfzentrum
Die in Vitznau zur Verfügung stehende Bauzonenfläche wird kleiner, genügt aber für das voraussichtliche Wachstum der Gemeinde in den nächsten 15 Jahren. Voraussetzung ist jedoch, dass die Bauzonen zweckmässig ausgenutzt werden. Denn viele Grundstücke sind heute eher unternutzt, das heisst, sie schöpfen das bereits heute zugelassene Nutzungsmass nicht aus. Insbesondere in der Kernzone sind wesentliche Nutzungsreserven zu finden. In der Revision der Ortsplanung wurde daher auf Aufzonungen bzw. die Ausscheidung neuer Gestaltungs- oder Bebauungsplanpflichten verzichtet. Mit dem Wechsel von der Ausnützungsziffer (AZ) zur Überbauungsziffer (ÜZ) wird deshalb auch keine „versteckte“ Aufzonung ermöglicht, wie vereinzelt kritisiert wird.
Noch unbebaute Gefahrengebiete werden konsequent ausgezont
Die unbebauten und zugleich in der roten Gefahrenzone liegenden Grundstücke in Vitznau umfassen eine Fläche von rund 1.2 ha. Davon wird der Grossteil ebenfalls rückgezont. Die restlichen Grundstücke im geringen Umfang von rund 0.3 ha können aufgrund ihrer Lage mitten im Siedlungsgebiet und in der Bauzone nicht rückgezont werden. Sie werden dem Rückzonungsbedarf aber ohnehin nicht angerechnet, da auf ihnen ein Bauverbot gilt und sie somit keine Einwohnerkapazität vorweisen. Ein „Abtausch“ mit den Bauzonen in den Gebieten Schwanden und Teufibalm, wie sie von den betroffenen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern vorgeschlagen wird, wäre deshalb auch rein rechnerisch nicht möglich.
Vitznau braucht eine raumplanungskonforme Ortsplanung
Rückzonungen sind eine der schwierigsten Aufgaben für eine Gemeinde und ziehen teilweise einschneidende Konsequenzen nach sich. Raumplanerischen Kriterien lassen einen beschränkten Interpretationsspielraum zu. Dabei ist eine Interessenabwägung im Interesse der gesamten Gemeinde vorzunehmen. Die vorliegende Gesamtrevision der Nutzungsplanung wurde auf der Basis des klar angenommenen Siedlungsleitbildes und den Ergebnissen aus den Workshops mit vielen Teilnehmenden aus der Bevölkerung erarbeitet. Veränderungen gegenüber diesen breit abgestützten Grundlagen - um Einzelinteressen entgegenzukommen - wären demokratisch in keiner Weise legitimiert.
Der Gemeinderat hat zusammen mit der Ortsplanungskommission eine möglichst rechtsgleiche Behandlung aller Betroffenen auf der Basis einer sachlichen Diskussion angestrebt. Negativ Betroffene haben selbstverständlich unabhängig von Zustimmung oder Ablehnung zur Vorlage das Recht, die zuständigen Gerichte anzurufen. Einzelinteressen können so auch weiterverfolgt werden, ohne dass die gesamte Gemeinde in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt wird.
Gemeinderat und OPK sind überzeugt, dass wir Ihnen mit der vorliegenden Revision der Ortsplanung am 13. Februar 2022 eine raumplanungs- und bundesrechtskonforme Vorlage unterbreiten. Der Kanton hat in der Vorprüfung bestätigt, dass die Gemeinde Vitznau bei Annahme der revidierten Nutzungsplanung ihren Status als Rückzonungsgemeinde verliert. Damit bleibt Vitznau handlungsfähig und baut künftig auf einer sicheren und klaren Grundlage.
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